Christlich-muslimischer Dialog – evangelisch betrieben: Heinrich Georg Rothe

Am 8. März 2008 wurde er in sein Amt als Islambeauftragter der württembergischen Landeskirche eingeführt: Pfarrer Heinrich Georg Rothe, geb. 1955. Heute sagt er über seine Arbeit: „Ich wusste , dass das keine einfache Aufgabe ist, aber ich erfahre viel Ermutigendes.“

Die württembergische Landeskirche hat länger gebraucht als andere, bis sie eine solche Stelle eingerichtet hat. Allerdings hatte sie schon lange im DiMÖ, dem „Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung“ und dort besonders intensiv in der Prälatur Heilbronn versucht, sich der Herausforderung einer multireligiösen Gesellschaft zu stellen. Beim DiMÖ ist nun die Pfarrstelle des Islambeaufragten auch angesiedelt – mit einem Auftrag für die ganze Landeskirche. Die 13. Synode hat 2006 mit einer grundsätzlichen Entscheidung das Programm für evangelische Christen und Muslime in Württemberg formuliert: „Miteinander leben lernen“. Für H.G. Rothe befindet sie sich damit auf der Höhe der Zeit, denn diese Gesellschaft hat begonnen zu verstehen und  anzunehmen, dass eine - auch religiöse - Vielfalt dauerhaft zu ihr gehört. Mit dem synodalen Prozess des Jahres 2006 hat die Landeskirche konkrete Schritte eingeleitet. Rothe hält es für bemerkenswert, dass seither der Landesbischof den muslimischen Gesprächspartnern zu Ramadan und dem Fest des Fastenbrechens gute Wünsche zukommen lässt und muslimische Gäste die Einladung zum Jubiläum „450 Jahre Reformation in Württemberg“ angenommen haben.

Mit Unterstützung des Oberkirchenrats arbeitet Rothe daran, das Amt eines Islambeauftragten in allen Kirchenbezirken zu etablieren – in etwa der Hälfte ist es schon besetzt – und damit die örtlichen Erfahrungen, Kompetenzen und Initiativen zu vernetzen und zu unterstützen. Der landeskirchliche Islambeauftragte will nicht in erster Linie als Experte durchs Land reisen und als Referent der Erwachsenenbildung über den Islam informieren, wenngleich er das durchaus auch tut. Es geht ihm darum, dass die interreligiösen Aktivitäten vor Ort, in den Gemeinden und Bezirken gestärkt, gefördert und miteinander verknüpft werden. Dazu dient etwa eine jährliche Konferenz der Islambeauftragten und ein elektronischer Rundbrief mit Informationen.

Gemeinsame Geschichte
Natürlich ist die Arbeit und der Kurs von Rothe nicht unumstritten in der Landeskirche. Er spürt Gegenwind und muss mit Kritik rechnen, wenn er den Begriff der „abrahamitischen Ökumene“ verteidigt und das „Haus Abraham“ für eine wichtige und bedeutsame Einrichtung hält. Nein, sagt er, da wird nicht übersehen, dass die drei so verbundenen Religionen sehr unterschiedliche Bilder von Abraham haben und keineswegs mit der Gestalt des Urvaters schon einen tragfähigen Fundus an gemeinsamen Überzeugungen besitzen. Aber einen Anknüpfungspunkt und gemeinsame Geschichte haben sie! Es sei eine Verwandtschafts- und eine Konfliktgeschichte und das unterscheide den jüdisch-christlich-muslimischen Trialog von anderen interreligiösen Situationen.

Der islamisch-evangelische Dialog speziell findet auf verschiedenen Ebenen statt. Zum zweiten Mal gibt es ein Seminar, bei dem evangelische Pfarrerinnen und Pfarrer sich mit muslimischen Imamen und Theologinnen gemeinsam Gedanken machen über ihre Rolle in ihren Religionsgemeinschaften und über Schrift und Schriftauslegung. Da sollen nun u.a. die in der Türkei und neuerdings auch in Frankfurt gelehrten Ansätze einer historisch-kritischen Koranauslegung eine Rolle spielen. Und eine gemeinsame Studienfahrt nach Istanbul ist geplant. Neben der DITIB (Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion e.V., der Dachverband der türkischen Moscheegemeinden, der der Kontrolle der türkischen Regierung untersteht), zusammen mit der badischen Landeskirche Kooperationspartner in diesem Projekt, gibt es weitere Partnerorganisationen und muslimische Dialoggruppen und Organisationen, zu denen Rothe Verbindung hält oder aufbaut.

Ausbildung in Deutschland
Bemerkenswert ist die Beobachtung, dass sich unter den Muslimen auch des Bundeslandes Baden-Württemberg Strukturen herausbilden, die für das Gespräch mit dem Staat und angesichts der gesellschaftlichen Herausforderungen gebraucht werden. Beispiel: Der islamische Religionsunterricht! Er wird von der evangelischen Landeskirche seit langem befürwortet. Dazu wären freilich auch Ausbildungsstätten - also doch wohl islamische Lehrstühle oder Fakultäten an deutschen Universitäten? – sinnvoll und notwendig. Der Diskussionsprozess ist im Gang, aber so richtig klar ist nicht, wie sich etwa eine evangelisch-theologische Fakultät oder die Universität Tübingen als Ganze dazu stellt. Es sei sehr zu begrüßen, sagt Rothe, dass die Tübinger Fakultät im Herbst 2007 mit der islamisch-theologischen Fakultät in Sarajewo eine Kooperations-Partnerschaft begründet habe. Wird sie mit Leben gefüllt, dann müsste wohl auch darüber nachgedacht werden, ob eine Studienordnung möglich ist, die es muslimischen Studierenden erlaubt, einen Abschluss an der Fakultät zu machen. Möglicherweise könnten aus solchen Kooperationen weitergehende Entwicklungen entstehen.

Für die Zukunft sieht Rothe wesentliche Aufgaben darin, alle kirchlichen Handlungsfelder auf ihre interreligösen Implikationen und Herausforderungen abzuklopfen. Was bedeutet die multireligiöse Situation für Kindergartenarbeit, Diakonie, Seelsorge, Religionspädagogik u.a.? Welche Erfahrungen und welche evangelischen Perspektiven gibt es? Wahrhaftig keine leichte Aufgabe und in jedem Fall ein Weg, der viel Ermutigung braucht.