OK-Mitgliederversammlung 2016
Jahres- und Mitglieder-Versammlung der OFFENEN KIRCHE am 16. April 2016 in Stuttgart mit dem Thema: "Gemeinsam für das Leben - Was ist Mission heute?"
Zu ihrer Jahresversammlung hat die OFFENE KIRCHE zur Podiumsdiskussion zum Thema "Gemeinsam für das Leben - Was ist Mission heute?" drei Personen eingeladen, die davon etwas verstehen: Altlandesbischof Dr. Eberhard Renz, der Lehrbeauftragter in Kamerun war und Afrikareferent der Basler Mission, bevor er Referent für Mission und Ökumene im Evang. Oberkirchenrat Stuttgart wurde; den Südkoreaner Rhee Kwon-Ho, der seit 15 Jahren in Deutschland lebt und seit September 2015 bei der Evang. Mission in Solidarität (EMS) Bildungsreferent mit Schwerpunkt Asien ist, und Ravinder Salooja, Dienst für Mission, Ökumene und Entwicklung in Heilbronn, dessen Vater Sikh war und seine Mutter Christin. Moderiert hat Dr. Michael Trauthig, Redakteur der Stuttgarter Zeitung im Bereich Politik und Kirchenfragen.
"Mission ist eine Aufgabe der Kirche, die in der Art und Weise, wie sie praktiziert wurde und wird, umstritten ist. Auch gibt es unterschiedliche theologische Konzepte", schrieb die OK-Vorsitzende in ihrer Einladung. Die Missionserklärung "Together towards Life", die der Weltkirchenrat in Busan verfasste, verbinde Mission mit gesellschaftspolitischem Engagement, die Schöpfungstheologie mit sozialer Gerechtigkeit. "Alte ideologische Gräben werden dadurch überwunden und neue gemeinsame Perspektiven von Mission, Gerechtigkeit und nachhaltiger Entwicklung eröffnet", so Erika Schlatter-Ernst.
Erste Frage an Dr. Renz: "Welche Art von Mission stellen Sie sich heute vor?" "Die Wohltaten Gottes zu verkündigen", antwortete er prompt und erzählte von seinen Erfahrungen in Afrika. "Nur wenn wir ein gemeinsames Zeugnis ablegen können, sind wir glaubwürdig, und zwar alle - Afrikaner und Deutsche, alle Denominationen" sagte Renz. "Wir müssen auf die hören, die zu uns kommen. Das ist ein Beitrag der weltweiten Kirche. Ökumene ist der Normalfall." In der neuen Erklärung des ÖRK gehe um die Mission von den Rändern aus. Auch Papst Franziskus sagte: "Das ganze Evangelium für die ganze Menschheit auf der ganzen Welt."
In Afrika habe er, Renz, gelernt, was alles Kreatur heißt: Signs of the Gospel sind Mangos, Orangen und Bananen und auch Jesu Wort: "Spalte Holz und ich bin da". Mission geschehe im Detail. Auch Jürgen Moltmann schrieb: "Der Heilige Geist ist in allen Bereichen vorhanden". Renz weiter: "Wir müssen über Wohltaten Zeugnis ablegen, damit andere uns verstehen, und zwar fröhlich, unerschrocken und selbstbewusst."
Pfarrer Rhee erzählte, dass Südkorea und die USA am eifrigsten Missionare aussenden und er sei einer von ihnen. 26.000 koreanische Missionare seien nun im Ausland. Er lebt als Gemeindepfarrer in Münster, sagt aber: "Unsere Gemeinde soll kein koreanischer Verein sein, die Kirche muss offen sein! Alle koreanischen Christen kennen den Begriff Ökumene. Die ACK spielte für uns in der hiesigen Gesellschaft eine bedeutende Rolle."
Mission bedeute zum einen Bewegung, in Aktion sein. "Gott gab uns einen Sendungsauftrag. Wir müssen Mut haben aufzubrechen. Die Kirche muss immer reformiert werden, immer beweglich sein. Es ist ein Privileg, leichtes Gepäck zu haben. Als die Kirche die Menschen am Rande (Arme, Hilfsbedürftige, Lebenskraft Suchende) finden wollte, ist das Christentum gewachsen. Zur Zeit hat die koreanische Kirche große Gebäude und Besitz, dadurch ist die Beweglichkeit verloren gegangen. In der Busaner Erklärung steht: Der Geist inspiriert menschliche Kulturen. Deshalb ist die Weisheit aller Kulturen einzubeziehen. Diese Begegnung ist eine große Herausforderung und ein Lernprozess. Auch die Jungen zu erwecken, ist eine sehr wichtige Aufgabe", so Rhee.
Für Pfarrer Salooja ist Mission Zeugnis und Dialog. Die Missionserklärung rede von der Vision eines Lebens mit der Fülle für alle. "Das ist eine tolle Höhe!" Außerdem würden die Bereiche Frieden und Bewahrung der Schöpfung angesprochen. Wortverkündigung und sich für Gerechtigkeit einsetzen werden wieder zusammen gesagt. "Die Marginalisierten stehen dort, wo man gerade noch nicht herunterfällt. In Indien sind dies die Dalits. Der kirchliche Dienst in der Arbeitswelt und andere sind in Deutschland Zeugnis und Mission. Und das will die Kirche wegdrücken!"
Beim Dialog gehe es um Glaubensgewissheit. "Ich denke, was für mich existentiell ist, ist auch für meinen Gesprächspartner wichtig. Wenn ein Hindu sagt: ‘Das ist nicht logisch, was ihr Christen sagt’, ist das eine Herausforderung, das aushalten und das Eigene nicht zu vergessen." Salooja reflektierte auch die Zufälligkeit, wo er geboren wurde: "Was wäre passiert, wenn meine Eltern in Indien geblieben wären? Wäre ich dann Sikh oder Hindu oder Christ?" Der Dialog sei selbst Zeugnis. Es gehe nicht darum, den Anderen zum Verschwinden zu bringen. Leben in Fülle für alle? Ora et labora. Das umfasse nicht nur den Einsatz für die Bewahrung der Schöpfung, sondern auch den Heiligen Geist, der wehe, wo er will. Zu den Randständigen brachte Salooja noch ein Beispiel: "Solidarität mit den Dalits in Indien ist leicht, mit Sinti und Roma in Deutschland ist es schwer. Auch die Augenhöhe im Dialog mit religiös Indifferenten - sind das die letzten Heiden, die wir ungestraft missionieren können?" Diesen Test wird Pfarrer Salooja bald bewältigen müssen, wenn er Direktor des Leipziger Missionswerks ist.
Trauthig ging auf den Wandel des Begriffs Mission ein. Der Altbischof erklärte dazu: "Für die Missionare stand nicht im Mittelpunkt, Seelen zu retten, sondern wieder gutzumachen, was Weiße unter Afrikanern Böses angerichtet haben. In den 200 Jahren haben wir viel darüber nachgedacht. Wir sollten die Afrikaner und Asiaten fragen, wie sie das sehen. Manche antworten: ‘Wir sind bewusst Christen, auch wenn die Missionare viele Fehler gemacht haben.’ Wir haben zu reflektieren was wir nicht mehr machen können. Zeugnis heute bedeutet, Respekt voreinander zu haben."
Rhee: "Mission war eng mit dem Imperialismus verknüpft. Aber Missionare aus den USA haben das Gesundheits- und Kastensystem modernisiert. Adlige und Normale - diese Gleichheit und Freiheit war eine Entdeckung in der christlichen Botschaft. Deshalb wurde sie sehr gern angenommen. Ein Licht der Hoffnung lag im Christentum. Nach der japanischen Annektion wurde das Christentum verinnerlicht. Aber die Kirche muss nicht nur Glauben bewahren, sondern leben im Auftrag der Liebe in Demut und Respekt vor den anderen."
Pfarrer Salooja: "Auch muslimische Gemeinden sollten eine missionarische Ausstrahlung haben. Aber wenn ich Konvertiten sehe, habe ich ein komisches Gefühl. Es ist ein deutsches Problem wegen unserer Geschichte. Andere Länder haben kein Problem mit dem Begriff. Selbst in der Wirtschaft sagen sie: Ohne die Missionare wären wir noch in der Situation von vor 300 Jahren."
Fragen aus dem Publikum: Dr. Kretschmer bemängelte die Übersetzung des Titels "Together towards Life" in "Gemeinsam für das Leben". Towards Life heiße "zum Leben hin". "Nicht wir sind die Träger der Mission, sondern der Geist Gottes. Wir haben nur auf ihn zu hören, er ist schon da."
Dr. Renz ergänzte, das Dokument habe nachgewiesen, dass es keinen Bereich gibt, in dem es Gottes Geist nicht gibt. Martin Bregenzer befürchtete, dass durch die Flüchtlinge die Mission wieder in alte Muster zurückfalle. Elfriede Hartmann fragte: "Wieso ist Missionar ein eigener Berufsstand?" Darauf antwortete Dr. Renz: "Im Normalfall muss jeder Christ Missionar sein. Es ist ein Fehler, der Auseinandersetzung aus dem Weg zu gehen." Aber das Christentum sei nicht die klügere Religion.
Salooja ergänzte: "Die neuen Maßstäbe in der Missionserklärung müssen wir mutig übersetzen. Bibelverbreitung und Schöpfung müssen zusammen gedacht werden."
Es wurde auch über andere Erfahrungen diskutiert und dafür plädiert, Begegnungen zu ermöglichen und anderen, auch Flüchtlingen, auf Augenhöhe und mit Respekt zu begegnen. Eberhard Renz: "Nur die Bibel überreichen, nutzt nichts. Paulus hat schon geschrieben: Gott hat sich überall bekannt gemacht. Also hören und hingucken! Lukas sagt auch: Wenn eine Theologie nicht befreiend ist, ist sie keine Theologie."
Rhee Kwon-Ho: "Der Gedanke, dass der Heilige Geist schon da ist, bevor wir gehen, bedeutet für mich eine Erleichterung. Wir müssen mutig sein, mehr zu verlieren und Widerstand zu leisten!"
Ravinder Salooja gründete einen Kreis mit vielen Religionen. "Wir müssen Gemeinschaft stiften, in Gespräche kommen und Geschichten erzählen lassen."
Bericht: Renate Lück