OK-Mitgliederversammlung 2014

Jahres- und Mitgliederversammlung der OFFENEN KIRCHE am 15. März 2014 in Stuttgart

Deutschland ist drittgrößter Waffenexporteur und viele Waffen kommen aus Baden-Württemberg
„Eine Maschnenpistole kann ich nicht essen.
Ein Panzer ist ungeeignet zur Feldbestellung.
Raketen sind keine Wasserleitung.“
Christian Führer, Leipzig

Zur diesjährigen Jahresversammlung in Stuttgart wollte Jürgen Grässlin zum Thema "Waffenhandel - wie Baden-Württemberg am Krieg verdient" sprechen. Kurz vor dem Termin wurde er krank, doch Paul Russmann von „Ohne Rüstung leben“ sprang ein.  

Der Bankkaufmann und Diplom-Theologe erläuterte, wie Deutschland nach dem zweiten Weltkrieg zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt wurde. Trotz gegenteiliger Richtlinien liefern deutsche Firmen Kriegsgerät mittlerweile auch in Länder, die nicht zur NATO gehören, in denen Krieg und Bürgerkrieg drohen oder herrschen. Oft sind es Nachbarländer, die im Streit um Erdöl oder andere Ressourcen liegen und das Geld dann nicht für Bildung oder Gesundheitswesen ausgeben können.
"Über Bundeswehreinsätze wird im Parlament entschieden, aber über Rüstungsexporte entscheidet der Bundessicherheitsrat in Eschborn - d.h. Kanzlerin Merkel und sechs Minister - geheim", so Russmann. Man erfahre zufällig, dass 270 Panzer nach Saudi Arabien geliefert werden, die gegen Bürgerprotestler eingesetzt werden können, oder U-Boote, die Atomraketen tragen können, nach Israel. "Wir liefern heute an jeden, der bezahlt." Das Schlimmste seien die Kleinwaffen von Heckler & Koch, die Kinder bedienen können. Bei diesem Export sei Deutschland an zweiter Stelle hinter den USA. "Jede Minute stirbt davon ein Mensch." Die größten Importeure sind China, Indien und Südkorea. Frau Merkel behandle diese Länder wie NATO-Staaten.
In der Versammlung Kritischer Aktionäre bei Daimler erfuhr Russmann, dass die Firma keine Waffen an Indien liefere, sondern die Unterlagen zum Nachbau. Bei Sammelausfuhrgenehmigungen wisse man überhaupt nicht, wohin die Waffen gehen. Die Zahlen werden meist erst zwei oder drei Jahre später veröffentlicht. Die deutsche Strategie für Unruheländer sei, keine Soldaten zu schicken, sondern die einheimischen Armeen zu ertüchtigen.
In Deutschland stieg der Rüstungsetat ab September 2011 um zirka 40 Prozent und liegt heute bei 33 Milliarden Euro trotz verkleinerter Armee, weil die Waffensysteme teurer geworden sind. Die Arbeitsplatzkosten in dieser Industrie sind gegenüber 1990 um das 3-fache gestiegen. Es ist das 4-fache dessen, was für Entwicklungshilfe und Friedensarbeit ausgegeben wird. Außer Heckler & Koch in Oberndorf und Fa. Walther in Ulm sind noch neun Firmen rund um den Bodensee mit Waffenentwicklung beschäftigt. Bei MTU in Friedrichshafen produzieren 7.000 Menschen Motoren für den Leopard-Panzer II. Bergbau und Rüstungsindustrie liegen jetzt bei Umsatz und Arbeitplätzen an erster Stelle. "Wenn die abgebaut würden, könnte dies Deutschland ebenso verkraften wie den Verlust Tausender von Arbeitsplätzen in der Textilindustrie und bei Schlecker", so Russmann.
"Grenzen öffnen für Menschen.
Grenzen schließen für Waffen"

"Offiziell brauchen Länder, wie Algerien, die Waffen gegen Terroristen, doch sie wollen sie gegen Flüchtlingsströme", sagt Paul Russmann. Viele Christ­_innen empören sich dagegen. 16 Trägerorganisationen und über 100 Aktionsgruppen haben sich im Mai 2011 zum ökumenischen Bündnis "Aufschrei" zusammengeschlossen unter dem Motto "Stoppt den Waffenhandel". Paul Russmann schlug den Anwesenden vor, ihre Bundestagsabgeordneten einzuladen und zu fragen, ob die geheimen Entscheidungen im Bundessicherheitsrat einer Demokratie würdig seien.
Am 8./9. Mai tagt in Bad Boll der Arbeitskreis Konversion. Am 28.6. fährt ein Schiff von Friedrichshafen (der Partnerstadt von Sarajevo) bis Lindau und zurück, auf dem neben einem Gottesdienst Informationen gegeben werden. OK-Mitglieder berichteten von den Entschließungen der ÖRK-Vollversammlung in Busan für eine atomfreie Welt. Und ein Vorschlag war, die Kirchensteuern von Rüstungsfirmen für Friedensaktionen zu verwenden.

In der anschließenden OK-Mitgliederversammlung wurde beschlossen, dem Bündnis „Aufschrei“ beizutreten. Außerdem wurde eine Resolution verabschiedet, in der die Evangelische Landeskirche in Württemberg aufgefordert wird, sich am „Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens“ aus christlicher Verantwortung zu beteiligen.

Nach dem Rückblick auf die Kirchenwahl und all den nötigen Regularien verabschiedete die Vorsitzende Ulrike Stepper den langjährigen Rechnungsprüfer Fritz Röhm und in Abwesenheit auch Marianne Gmelin. Fritz Röhm nahm es mit Humor: „Ehrenvorsitzender bleibe ich ja noch.“ Die nächste Rechnungsprüfung werden Christiane Ris und Gustav Traut durchführen. Die Kasse ist noch klamm. Auch für den AMOS-Preis werden gern Spenden und Zustiftungen angenommen. Aber der Haushaltsplan für 2014 wurde einstimmig von der Versammlung beschlossen.

Betont wurde von beiden Seiten die gute Zusammenarbeit zwischen Gesprächskreis und Vorstand. Nun beginnt die Arbeit in der Landessynode. Die OK hat die beiden angekündigten Anträge gestellt, dass Kürzungen beim Friedenspfarramt, beim Umweltbeauftragten und dem jüdisch-christlichen sowie dem muslimisch-christlichen Dialog zurückgenommen werden und auch das Kuratorium der Akademie soll schauen, ob alle Kürzungen nötig sind. Zweitens sollen die Rücklagen zugunsten der Kirchengemeinden abgebaut werden. 

Ansonsten wurde im Nachgang zum Vortrag über den Waffenexport von Dr. Eberhard Müller auf die Jahrestagung des Ökumenischen Netzes am 29. März hingewiesen, die unter dem Thema steht: „Busan - wo bitte geht’s zum Pilgerpfad?“ Außerdem findet vom 30.4. bis 4. Mai in Mainz die ökumenische Versammlung zum Thema: „Die Zukunft, die wir meinen - Leben statt Zerstörung“ statt.

Renate Lück

 

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